Nicht nur für Schüler ist es wichtig, ausdrucksstarkes Lesen zu lernen. Als Autor, welcher Buchlesungen veranstaltet oder veranstalten möchte, gehört dies genauso dazu.
Bei einer monotonen oder stockenden Lesung ist das Publikum schnell ablenkbar durch andere äußere Reize oder vertieft sich in innere Monologe.
Dass das Buch von einem selbst geschrieben wurde, sollte nicht dazu veranlassen, sich bei der Vorbereitung zurückzulehnen. Im Gegenteil. Gerade bei eigenen Texten wird man oft „betriebsblind“. Daher sollte der erste Schritt sein, sich den Text nochmals Wort für Wort im Stillen durchzulesen. Lass bei jedem Satz erneut die Emotionen ausfließen, welche du auch beim Schreiben empfunden hast.
Die Vorbereitung der Lesung ist besonders wichtig. Generell solltest du dir vor jeder Lesung folgende Fragen stellen und (am besten schriftlich) beantworten:
- Zu wem spreche ich bei der Lesung?
- Warum spreche ich?
- Was will ich vom Publikum?
- Warum sollte mir das Publikum unbedingt zuhören?
- Was ist mein konkretes Ziel?
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Wie so oft:
Übung macht den Meister!
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Übung 1
Hast du es nicht selbst schon getan, hat spätestens dein Lektor den Text in Abätze eingeteilt. Ein Absatz wird in der Regel gesetzt, wenn sich das Thema oder der Vorgang ändert.
In der Vorbereitung kannst du als Übung deinen Text zunächst in diese Abschnitte einteilen. Dann nimmst du dir jeden Abschnitt einzeln vor. Pro Abschnitt wird zunächst ein sogenannter „Kernessenzsatz“ gebildet. Dies ist EIN Satz, der den gesamten Abschnitt zusammenfasst. Im nächsten Schritt nochmals zusammenzufassen in 3 Wörter. Und dann wieder zusammenfassen in EINEM Wort. Dabei geht es nicht unbedingt darum Wörter zu nehmen, die bereits dastehen, sondern passende Wörter, die den Sinn des Textes widerspiegeln.
Dieses Prozedere ist keine Spielerei, sondern hilft dir beim ausdrucksstarken Vorlesen, da du nun herausgefiltert hast, was der Abschnitt ausdrücken soll und dies in deine Rhetorik übernehmen kannst.
Übung 2
Nicht jedem fällt es leicht, seine Stimme zu verstellen oder mit ihr zu spielen. Nutzt du dies beim Lesen, macht es den Text jedoch weitaus lebendiger. So kann nicht nur in der wörtlichen Rede vom Zuhörer klar erkannt werden, welche Figur des Textes gerade spricht und welche Emotionen sie beim Sprechen erlebt. Fast jedem Satz kann mit der richtigen Betonung sogar ein anderer Sinn zugeschrieben werden.
Nimm dir doch mal einen Satz wie zum Beispiel: „Gemüse zu essen, ist wichtig und gesund.“
Jetzt sprichst du ihn einmal total euphorisch aus, so wie es ein Fitnesscoach sagen würde.
Als nächstes sprichst du es streng aus, als würdest du deinen Teenagersohn belehren.
Nun vielleicht mal ganz sachlich, wie zu einem ausgebildeten Fachpublikum.
Und zum Schluss noch einmal traurig, als würdest du den Satz in einer Trauerrede sagen.
Dies kannst du mehrmals wiederholen. Steigere dich dabei in deiner Betonung immer ein mehr. Lass deiner Stimme freien Lauf. Übertreibe, überspitze die Betonung. Wenn du dich bei der Betonung sicher fühlst und denkst, noch mehr geht nicht, trage die Übung einem anderen vor. Erkennt er, ohne dass du es ihm sagst, welches Zielpublikum mit welcher Betonung angesprochen wird? Falls ja, hast du alles richtig gemacht.
In deinem Text gibt es garantiert Sätze, die besondere Betonung verdienen. Sprich doch diese Sätze auch mal in den verschiedenen Szenarien durch, um einen Unterschied zu hören. Setze dann dein Szenarium fest.