Das Literaturfest Meißen bereicherte auch dieses Jahr wieder als größte eintrittsfreie Open-Air-Lesefest Deutschlands die Kulturszene. Wir waren dabei und möchten gern davon berichten.
Auf den 4 Hauptbühnen (Marktplatz, Heinrichsplatz, Kleinmarkt und Tuchmachertor) und 35 weiteren Leseorten fanden insgesamt an diesem Juni-Wochenende 101 Lesungen statt. Eine beachtliche Zahl.
Dabei wurden sämtliche Genre abgedeckt. Von Lyrik, Krimis, Biografien, Romantik, Belletristik, Kinderbücher und vieles mehr. Die ganze Stadt verwandelte sich in ein Paradies für Literaturliebhaber und Neugierige.
Ausgezeichnete Preisträger des Festes 2024:
- Benjamin Baumann „Kollateralschädel“
- Inhalt: Kollateralschädel verweist – mit konkretem Bezug auf das Wording der amerikanischen Regierung hinsichtlich ihrer Drohnenangriffe im Nahen Osten – auf die zivilen Opfer politischer und gesellschaftlicher Willkür. Die Opfer tauchen als zunächst blasse Konturen wechselnder Tagesnachrichten auf, mal entstammen sie der persönlichen Erinnerung, mal einem kollektiven Geschichtsbewusstsein. Die Erzählstimme problematisiert die Absurdität des eigenen Alltags im Spiegel ihres Weltwissens. Sie versucht die Unvereinbarkeit dessen, was gleichzeitig hier und dort geschieht, in eine gedankliche – also sprachliche – Form zu bringen. Der Erzähler bemüht sich um eine Identifikation mit den anonymen Opfern, gibt ihnen Namen und erprobt die Grenzen seiner Empathie, verfällt in radikale Selbstzweifel, sucht nach Trost, ohne dafür die Schonungslosigkeit gegenüber der eigenen Scham aufgeben zu wollen. Aus der Spannung von moralischem Anspruch, medialem Zynismus und alltäglichen Bedürfnissen ergibt sich der düster-ironisch-melancholische Ton des Textes, seine assoziativen Einschübe aus Newsflashs, Rückblenden und Gedankensplittern sowie die unmittelbare Mündlichkeit als Ausdruck eines Mitleidens, das sich vorgenommen hat, nicht abzustumpfen.
- Cecilia Joyce Röski „Poussi“
- Inhalt: „Unsere Türen stehen für die Pois immer offen. Meine Tür ist auch offen, jeder Poi kann eintreten, Zeit mit mir verbringen und ich verbringe dann Zeit mit ihm. Ich bin immer da.“ Ibli ist Anfang zwanzig und wohnt und arbeitet im Palast, einem einst glanzvollen Bordell, das ihrem Vater gehörte. Iblis Vater, das ist Lackschuh. Zu Hochzeiten des Palastes führte er ein ausschweifendes Leben, nun verfolgt ihn der Bankrott. Seine Tage verbringt er – längst der Sucht verfallen – am Spielautomaten im Café Keese.Ibli aber ahnt, dass es außerhalb des Palasts eine Welt geben muss, in der es in den Fahrstühlen nicht nach Pisse stinkt und wo die Menschen in ihren Wohnungen gemütlich Tee trinken. Eine Welt, in der es nicht allein darum geht, mit einem „sexi Bodi“ zahlende Kundschaft anzulocken. Als es im Palast zu einem Eklat kommt, ergreift Ibli die Flucht – mit ungewissem Ausgang.
Lesen und lesen lassen
Leider ergab sich für uns nur am Sonntag die Möglichkeit, das Fest zu besuchen (wir wären gern jeden der Veranstaltungstage anwesend gewesen.) Die Lesungen haben Spaß gemacht zuzuhören, sie haben den individuellen Horizont erweitert und oft zum Schmunzeln, aber auch zum Nachdenken angeregt. Mehr als 100 Autoren wurde die Chance gegeben, einen tieferen Einblick in ihr Buch zu gewähren. Die Lesungen waren gut besucht und die charmante Altstadt von Meißen sorgte für die richtige Atmosphäre.
Hans-Rainer Heinrich bei seiner Buchlesung auf dem Literaturfest Meißen. Autorenlesung des Buches: „Raus: Zu Fuß von Meißen nach Paris – Erfahrungen meiner Auszeit“! Bildquelle: Buchlesung24.
Hans-Eckardt Wenzel und Frank Richter auf dem Literaturfest Meißen lesen und diskutieren Texte aus dem Buch: „Entrüstet euch! Von der bleibenden Kraft des Pazifismus“! Bildquelle: Buchlesung24.
Sabine Rennefanz auf dem Literaturfest Meißen 2024. Autorenlesung des Buches: „Kosakenberg“! Bildquelle: Buchlesung24.